Eine gezielte Erfassung direkter Gesundheitsmerkmale, wie sie bei Milchrindern schon Routine ist, ständig weiterentwickelt wird und für die auch schon eine Zuchtwertschätzung etabliert ist (z.B. Egger-Danner et al., 2015; Liu et al., 2019; Shabalina et al., 2020), gibt es bei Ziegen derzeit noch nicht. Sowohl bei der nationalen Tagung des BMEL 2019 (DGfZ, 2019) als auch beim Internationalen Schaf- und Ziegenkongress der BMEL 2020 wurde deutlich, wie viele offene Fragen es bei der Ziegengesundheit noch gibt und wie wichtig eine umfangreichere und präzisere Phänotpyisierung in diesem Bereich wäre. Bisher werden vor allem die Daten aus der Milchleistungsprüfung als Basisinformation für Gesundheit und Robustheit der Milchziegen herangezogen.
Die Ziegenzuchtverbände in Bayern und Baden-Württemberg entwickeln zusammen mit den Leistungskontrollverbänden in Bayern und Baden-Württemberg, eine gemeinsame Datenbank für Herdbuch- und Leistungsdaten von Milchziegen, den Ziegendatenverbund. Die Online-Anwendung dieser Datenbank, der LKV-Herdenmanager ZDV4M, bietet den ZiegenzüchterInnen und – halterInnen vielfältige Informationen, Auswertungen und Eingabemöglichkeiten.
Im Rahmen des Projektes GoOrganic wurde für die Milchziegenzüchtung in Bayern und Baden-Württemberg in ZDV4M ein Tool entwickelt, mit dem ZiegenhalterInnen Beobachtungen zur Gesundheit und zum Verhalten ihrer Ziegen erfassen können (GMON Ziege) (Herold et al., 2019a). Dieser Prototyp wird zurzeit nur von wenigen ZiegenhalterInnen genutzt (Kunz, persönliche Mitteilung).
Im Zuchtwertschätzverbund Bayern und Baden-Württemberg wurde über die Zuchtwertschätzung für Milchleistungsmerkmale hinaus, seit 2013 die Lineare Beschreibung bei Bunten und Weißen Deutschen Edelziegen entwickelt. Seit 2018 werden auf Basis der Linearen Beschreibung Zuchtwerte für Exterieurmerkmale berechnet (Lange et al., 2018). Der entwickelte Beschreibungsbogen ist auch für andere Milchziegenrassen wie die Thüringer Wald Ziege anwendbar (Herold et al., 2019b). Lange et al. (2018a&b) schätzten auch die genetischen Beziehungen zwischen Exterieur- und Milchleistungsmerkmalen. Aufgrund der bisher fehlenden Gesundheitsdaten konnten hierzu noch keine Auswertungen erfolgen.
Im Rahmen des vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg geförderten und vom Zentrum Ökologischer Landbau koordinierten Projektes „Tanninhaltige Ackerfuttermittel als Komponenten der Endoparasitenbekämpfung bei kleinen Wiederkäuern im ökologischen Landbau“ wurde unter anderem der Stand des Wissens zu den genetischen Unterschieden in der Parasitenanfälligkeit und in der Reaktivität auf tanninhaltige Futtermittel erfasst. Die Studie kam zu folgenden Ergebnissen: Eine Voraussetzung für die Auswahl von resistenten Rassen und die Selektion resistenter Individuen als Eltern für die nächste Generation ist, dass die (relative) Resistenz gegen Infektionen mit Magen-Darm-Nematoden genetisch bedingt ist. Obwohl die genetische Architektur der Resistenz bislang noch nicht vollständig entschlüsselt ist, weisen die meisten Untersuchungen auf die Beteiligung von Prozessen hin, die mit der immunologischen Abwehrreaktion verbunden sind. Generell wird angenommen, dass die genetische Grundlage der Resistenz polygen ist und sich von Rasse zu Rasse unterscheidet (Muth et al., 2016). In diesem Projekt wurde auch mit Modellbetrieben in der Praxis zusammengearbeitet. Zudem wurde ein Expertenworkshop mit LandwirtInnen, WissenschaftlerInnen, Beratungsdiensten und -organisationen durchgeführt. Am Institut für Nutztierwissenschaften, Fachgebiet Infektions- und Umwelthygiene bei Nutztieren, sowie Umwelt- und Tierhygiene, wurden im Rahmen des Projektes parasitologische Untersuchungen von Kot- und Umweltproben durchgeführt.
In dem Projekt GoOrganic lag der Schwerpunkt der Verlängerungsphase (2020 – 2022) auf dem Aufbau eines Netzwerks der Akteure in der Ziegenzüchtung, sowie in der Etablierung regionaler Zuchtarbeitskreise. Um in der Ziegenzüchtung effiziente und nachhaltige Zuchtprogramme für die Milchziegenpopulationen zu etablieren, ist eine Zusammenarbeit aller Akteure in Deutschland wünschenswert. Dabei leistet jeder Akteur einen Beitrag und zieht zugleich einen Nutzen aus der Zusammenarbeit, den er alleine so nicht erzielen könnte. Die Teilnahme am Netzwerk ist freiwillig, jede und jeder Interessierte kann beim Projekt mitmachen. Die regionalen Zuchtarbeitskreise sind eine Basis für regionale Netzwerke. GesundeZiegen möchte zusätzlich auch die Netzwerkbildung auf Landes- und Bundesebene unterstützen. Hier knüpft das vorliegende Projekt direkt an, z.B. mit dem Aufbau von Stallschulen zur Ziegengesundheit und -robustheit.
- DGfZ (2019): Workshop „Zucht und Haltung von Schaf und Ziegen in Deutschland“. Berlin, Deutschland, 16. – 17. Oktober 2019. DGfZ-Schriftenreihe, Heft 78.
- Egger-Danner, C., Cole, J.B., Pryce, J.E., Gengler, N., Heringstad, B., Bradley, A. und K.F. Stock (2015): Invited review: overview of new traits and phenotyping strategies in dairy cattle with a focus on functional traits. Animal 9, 191-207.
- Herold, P. und M.-R. Wolber (2020): Ziegenzüchtung: Gemeinschaftliche weiterentwickeln. Schafzucht 19.2020, 36-37.
- Herold, P., Schäbe, C., Lange, A., Hamann, H., Sorg, D., Rosner, F. und R. Schafberg (2019b): Lineare Beschreibung bei der Thüringer Wald Ziege. BMEL-Workshop "Zucht und Haltung von Schaf und Ziege in Deutschland", Berlin, 16. -17. Oktober 2019, DGfZ-Schriftenreihe 78, 56-63.
- Herold. P., Wolber, M.-R. und H. Hamann (2019a): GoOrganic. Entwicklung eines nachhaltigen Zuchtprogramms „Ziegen für den Ökologischen Landbau“. BMEL-Workshop "Zucht und Haltung von Schaf und Ziege in Deutschland", Berlin, 16. -17. Oktober 2019, DGfZ-Schriftenreihe 78, 48-55.
- Lange, A., Hamann, H. und P. Herold (2018a): Genetische Beziehungen zwischen Exterieur- und Milchleistungsmerkmalen bei Bunten Deutschen Edelziegen. Vortrags Kurzfassungen DGfZ-/GfT-Vortragstagung.
- Lange, A., Hamann, H., Mendel, C., Wenzler, J.-G. und P. Herold (2018b): Entwicklung einer Zuchtwertschätzung Exterieur auf Basis der linearen Beschreibung bei Milchziegen. Züchtungskunde 90, 304-318.
- Liu, Z., Alkhoder, H., Kubitz, Ch., Stock, K., Heise, J., Segelke, D., Reinhardt, F. und R. Reents (2019): Genomic prediction of health traits using a mixed reference bull and cow reference population for German Holsteins. Interbull Bulletin No. 55, 23.-26. Juni 2019, Cincinnati, Ohio, USA.
- Muth, P., Tietgens, G., Pöhlmann, I., Reiber, C. und A. Valle Zárate (2016): Genetic improvement strategies for the endoparasite resistance of small ruminants. Universität Hohenheim, Institut für Tropische Agrarwissenschaften (490h), Interner Bericht.
- Shabalina, T., Yin, T. und S. König (2020): Influence of common health disorders on the length of productive life and stayability in German Holstein cows. J. Dairy Sci. 103, 583-596.